24 Sonnenblumen

In der Nähe der Schule hatte der Lehrer einen großen Garten angelegt. Er säte darin Salat, Möhren, Erbsen und Radieschen aus, es gab Beete für Bohnen und in der Ecke standen Rhabarber und einige Johannisbeeren- und Stachelbeerenbüsche.


Auf einem sehr großen Beet wuchsen Sonnenblumen. Im Frühjahr legte der Lehrer viele Samen in die Erde und im Laufe des Sommers wuchsen die Sonnenblumen heran. Sie waren irgendwann größer als die meisten Kinder. Ihre Blüten waren erst leuchtend gelb, dann wurden sie langsam braun. Das kam daher, dass sich aus den Blüten neue Samen entwickelten, die der Lehrer Kerne nannte. Die verfärbten sich, wenn sie reif wurden. Wenn sie niemand erntete, kamen die Vögel und futterten sie auf. Einige fielen zu Boden. Doch die meisten Samen erntete der Lehrer selbst.


An einem Tag im Spätsommer, als nur noch wenige gelbe Blüten und viele dunkle Samenstände zu sehen waren, nahm der Lehrer alle Kinder mit und lud auch den kleinen dicken König und die Königin ein zu einem kleinen Ausflug zu den Sonnenblumen.


Er zeigte ihnen, wie dicht die Samen aneinander standen. Er erklärte ihnen, dass sich die Blüten am Tage immer nach der Sonne ausrichteten und am Morgen nach Osten und am Abend nach Westen blickten. Aus den Kernen der Sonnenblumen könne man Öl pressen, mit dem man braten kann. Er berichtete ihnen auch, dass Sonnenblumen zu den Lieblingsblumen vieler Maler gehörten.


Und dann erzählte er noch eine Geschichte von einer unglücklichen Prinzessin. Sie lebte, als die Menschen glaubten, der Gott Apollon würde jeden Tag einen Sonnenwagen über den Himmel ziehen. Anders konnten sie sich nicht erklären, dass die Sonne scheinbar von Osten nach Westen über das Firmament zieht. Die Prinzessin hatte sich in Apollon verliebt, doch er beachtete sie nicht. Traurig verwandelte sie sich in eine Blume und blickte jeden Tag dem Sonnenwagen nach. Diese Blumen nennt man seitdem Sonnenblumen.


Als alle in die Schule zurückgekehrt waren, schrieb der Lehrer die Buchstaben S und s an die Tafel. Die Kinder schrieben diese Buchstaben auf den Tischen und in der Luft nach. Dann rannten sie auf den Schulhof und zeichneten sie in den Sand, wohl mehr als 100 mal. Dabei schnatterten sie laut durcheinander. Und das Pferd Hannes sah ihnen dabei zu.


Der kleine, dicke König und die Königin übten derweil auf ihren Schiefertafeln. Sie hatten auch zwei Töchter, aber die waren längst mit Prinzen aus anderen Königshäusern verheiratet. Sie mochten übrigens gern Salate, die mit dem Öl von Sonnenblumen angemacht waren.