23 Der lange Lulatsch
Zu den Soldaten des kleinen dicken Königs gehörten auch Männer, die sehr groß waren. Der König liebte sie, vielleicht weil er daneben besonders auffiel, denn er war ja sehr klein und sehr dick. Er nannte diese Soldaten die "langen Lullis". Kein Mensch wusste, woher dieser Name kam, aber dem kleinen dicken König gefiel er und alle hatten sich längst daran gewöhnt.
Einer dieser Männer war noch größer als alle anderen. Er überragte den zweitlängsten um einen ganzen Kopf. Alle nannten ihn den langen Lulatsch. Er hieß eigentlich Leo, aber das Wort Lulatsch gefiel den Leuten besser. Er wurde gebraucht, wenn in der Ferne etwas auszuspähen war, denn er war nicht nur groß, sondern er konnte auch ausnehmend gut sehen. Im Herbst brauchte er keine Leiter, um die Äpfel an den Obstbäumen zu pflücken. Er wurde geholt, wenn an den niedrigen Häusern der Bewohner des Landes die Ziegel verrutscht waren, oder wenn Katzen in Bäume geklettert waren und nicht mehr herausfanden.
Einmal regnete es im Land des kleinen dicken Königs mehrere Tage hintereinander. Die Bäche und Flüsse konnten die Wassermassen kaum fassen, sie stiegen über die Ufer und überschwemmten die Felder. In der Nähe des Schlosses führte eine schmale Brücke über einen kleinen Fluss, die nur von Fußgängern überquert werden konnte. Durch das Hochwasser wurde die Brücke weg geschwemmt.
Nun war guter Rat teuer. Wie sollte man nun von einer Seite des Flusses auf die andere gelangen. Da hatte die Königin eine Idee. "Lasst das doch den langen Lulatsch machen!" schlug sie vor und so geschah es. Der lange Lulatsch bekam den Auftrag, an der Stelle, an der die Brücke gewesen war, alle Fußgänger über den Fluss zu tragen.
Es dauerte lange, bis die neue Brücke fertig war. Bis dahin versah der lange Lulatsch seinen Dienst, er trug Menschen über den Fluss, Tag für Tag, Woche für Woche. Mit den meisten hatte er keine Schwierigkeiten, denn er war nicht nur groß, sondern auch stark. Aber der dicke Bäckermeister war dann doch etwas zu schwer. Lulatsch packte ihn, trug ihn eine Weile, doch dann rutschte ihm der Bäcker aus den Händen und plumpste in den Fluss. Zum Glück konnte er schwimmen und erreichte das andere Ufer ohne Probleme. Er wurde dabei sehr nass und seine Bäckermütze saß ganz schief auf seinem Kopf. Einige Leute beobachteten den Vorfall und lachten.
Sofort
verbreitete sich die Geschichte vom dicken Bäcker im ganzen Königreich. Auch der Lehrer erfuhr davon und erzählte sie den Kindern. Und weil darin der lange Lulatsch eine wichtige Rolle spielte, schrieb er die Buchstaben L und l an die Tafel. Die Kinder schrieben das L und das l in der Luft und auf den Tischen nach. Dann rannten sie auf den Schulhof und zeichneten die neuen Buchstaben in den Sand, wohl mehr als 100 mal. Dabei schnatterten sie laut durcheinander. Der kleine dicke König und die Königin übten derweil auf ihren Schiefertafeln.
Wie immer sah ihnen das Pferd Hannes dabei zu. Er musste unbedingt auch mal wieder den Fluss überqueren. Dazu brauchte er die Hilfe des langen Lulatsch nicht, denn Pferde können sehr gut schwimmen. Und Wasser mochte er sowieso.
